Arbeitsrecht: Gilt die Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers als Voraussetzung für den Verfall des Mindesturlaubs auch für den Zusatzurlaub eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gemäß § 208 Abs. 1 S. 1 SGB IX?

Nachdem der EuGH mit Urteilen entschieden hat, dass der Mindesturlaub nicht automatisch am Jahresende verfällt, vertritt das BAG in der neueren Rechtsprechung, der Arbeitgeber habe eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Urlaubsgewährung: Damit der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 BurlG am Jahresende verfällt, muss der Arbeitgeber konkret und in völlig transparenter Weise dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wird, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit dem Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, wird der Urlaub in das nächste Jahr übertragen und verfällt frühestens am 31.12., wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt.

Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen zwar ausschließlich den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen, das BAG geht aber insoweit von einem Gleichlauf der gesetzlichen Urlaubsansprüche und den Ansprüchen auf vertraglichen beziehungsweise tariflichen Mehrurlaub aus. Es bestehe aber die Möglichkeit für den Mehrurlaub im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag wirksam abweichende Regelungen zu treffen. Soweit der Arbeits- oder Tarifvertrag keine Regelung zu den Hinweisobliegenheiten oder Verfall des Urlaubs enthält, muss der Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheiten auch für den vertraglichen beziehungsweise tariflichen Mehrurlaub erfüllen, will er verhindern, dass der nicht genommene Urlaub nicht auf das nächste Jahr übertragen wird.

Bisher hat das BAG sich noch nicht dazu geäußert, ob auch der Zusatzurlaub gemäß § 208 SGB IX nur verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweisobliegenheiten nachkommt. Jedoch ist auch in diesem Fall von einem Gleichlauf des Zusatzurlaubs nach § 208 SGB IX mit dem Mindesturlaub auszugehen, so dass der Arbeitgeber auch für den Zusatzurlaub die Hinweisobliegenheiten erfüllen muss, wenn er verhindern will, dass der nicht genommene Zusatzurlaub auf das nächste Jahr übertragen wird. Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen teilt somit das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs. In diesem Sinne hat auch das LAG Niedersachsen mit Urteil vom 19.01.2019 entschieden, der Arbeitgeber müsse den schwerbehinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX aF hinweisen, komme er den Hinweispflichten nicht nach, verfälle der Zusatzurlaub nicht (LAG Niedersachsen 19.01.2019 – 2 Sa 567/18).

Fazit:

Weist der Arbeitgeber nicht konkret und in völliger Transparenz auf den Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX hin, und setzt den Arbeitnehmer tatsächlich nicht in die Lage, diesen Urlaub zu nehmen, verfällt der Zusatzurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres nicht und wird auf das nächste Jahr übertragen.

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